Coronavirus in Berlin: Anja Essner nutzt die Zeit zum Renovieren

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Wie unsere EinzelhändlerInnen mit dem Shut-Down umgehen:

Noch bis vor zwei Wochen haben wir die EinzelhändlerInnen unseres Vertrauens in ihren Shops mit den jeweiligen Konzepten und Zielen vorgestellt – doch jetzt ist alles anders. Seit dem 18. März 2020 sind die Läden dicht – und viele fragen sich, wie´s jetzt weiter geht. Mit einigen von ihnen haben wir bereits gesprochen. Wir haben uns umgehört. Anja Essner, die Inhaberin von „Finn´s“ in der Berliner Bleibtreustraße, hatte in den vergangenen Wochen keinen Moment Langeweile.

Coronavirus in Berlin: Anja Essner nutzt die Zeit zum Renovieren
Anja in ihrem Laden in Berlin Charlottenburg (Archivbild)

Frau Essner – was machen Sie den ganzen Tag, seitdem Sie am 18. März den Laden schliessen mussten?

Wir haben den Laden renoviert, alles gestrichen und komplett gereinigt – dazu kommt man ja gar nicht im laufenden Betrieb. Alles das, wozu wir im laufenden Betrieb nicht kommen.

Sie hören sich gut an – total frisch!

Ja, das war auch eine gute Zeit. Unsere Urlaubstage sind ja immer sehr abgezählt. Diese Schließung ist die erste längere Pause seit 13 Jahren!

In Charlottenburg einkaufen bei Finns in der Bleibtreustrasse
Anja Essner

Haben Sie gar keine Zukunftsängste?

Die wirtschaftliche Lage geht bei uns gerade so noch! Und ich habe ja hauptsächlich Stammkundschaft, da spekuliere ich darauf, dass die sich nach der Schließzeit wegen der Coronavirus in Berlin wieder auf mich stürzen (lacht). Meine Sachen findet man ja auch nicht in einem Online-Shop. Wir verkaufen keine Turnschuhe, von denen man nur die Größe wissen muss – meine Sachen müssen probiert werden. Vor allem die Schuhe, aber auch die Kleider – fast alles. Die Connemara-Kollektion könnte man wahrscheinlich noch am ehesten bestellen, ohne sie anzuprobieren. Daher kam die Umstellung des Verkaufs auf Online-Handel für mich auch gar nicht in Frage.

Coronavirus in Berlin: Anja Essner nutzt die Zeit zum Renovieren
Schön gemacht, aber erzwungenermaßen kundenleer: Finn´s in der Berliner Bleibtreustraße.

Corona in Berlin – Haben Sie sich denn schon um finanzielle Unterstützung bemüht?

Ja. Und wir haben auch schnell und unbürokratisch einen Zuschuss bekommen von der Investitionsbank – eine echte Rettung! Meine Mitarbeiterin bekommt auch Kurzarbeitergeld wegen des Coronavirus in Berlin. Bislang mussten wir die Mietzahlungen noch nicht aussetzen. Das wäre erst eine Option, wenn ich in Schwierigkeiten geraten würde, doch so weit ist es glücklicherweise noch nicht. Ich spekuliere darauf, dass wir Ende April oder Anfang Mai wieder öffnen können. Einige Hersteller haben auch sehr klug reagiert, indem sie die Kollektionsauslieferung gestoppt haben, die für April oder Mai geplant war. Die werden jetzt vermutlich online verkauft – wir hätten sie gar nicht abnehmen können.

Haben Sie eigentlich einen Plan B – wenn weitere Schliessungen gefordert werden?

Nein, gar nicht. Ich kann immer nur ad hoc entscheiden, ob ich jetzt noch eine Kollektion kaufe oder nicht. Man muss einfach abwarten, was passiert.

Haben Sie in der Zwischenzeit im Kundenkontakt?

Ja, teilweise, per E-Mail. Manche Kundinnen haben sich gemeldet und wollten unbedingt was probieren – denen habe ich versprochen, dass ich ihnen Bescheid sage, wenn ich wieder öffne. Wenn sie das wünschen, dann hänge ich auch bestimmte Stücke für sie zurück. Einige haben sogar geschrieben: „Hoffentlich überstehen Sie diese Zeit – wir brauchen Sie doch.“ Das hat mich sehr gefreut!

Haben Sie die Sommerkollektion schon eingeräumt?

Ja! Glücklicherweise war der Winterschlussverkauf schon vorbei, als wir schließen mussten, und er war sehr gut gelaufen. Das passte gut. Sonst hätten wir auch Lagerprobleme bekommen.

Der Frühling und die Kundinnen könnten jederzeit kommen.
Der Frühling und die Kundinnen könnten jederzeit kommen.

Werden Sie besondere Vorsichtsmassnahmen ergreifen, wenn Sie wieder öffnen dürfen?

Naja, wenn jemand käme, der oder die erkennbar krank wäre, würde ich schon darum bitten, etwas Abstand zu halten. Aber vor allem werde ich den Kunden ermöglichen, sich bei uns die Hände zu waschen, und ich werde Desinfektionsmittel bereithalten – das halte ich für ganz wichtig.

Haben Sie denn noch welches bekommen?

Ja, aber nur wenig – das ist schon schwierig.

Können Sie aus dieser Zeit eigentlich auch Positives für sich ziehen?

Ja, eigentlich schon! Man sieht, dass die Eltern wieder mehr mit ihren Kindern zusammen sind! Es tut den Familien ganz gut, denke ich, mal wieder zusammenzurücken und zu entschleunigen. Und man merkt auch, dass vieles offensichtlich ganz gut funktioniert im Homeoffice, so dass man vielleicht in Zukunft auf manche Geschäftsreise verzichten wird.

Und was ist Ihnen an Negativem aufgefallen?

Denunziantentum!

Echt?

Ja, in Mecklenburg-Vorpommern und in der Prignitz war das so! Dort haben sich die Landräte ja über Bundesrecht hinweggesetzt und wollten die Einreise von Menschen verhindern, die dort ihren Zweitwohnsitz hatten. Da haben etliche Nachbarn Polizei und Ordnungsämter damit beschäftigt, überprüfen zu lassen, ob das auch so zulässig ist. Und meistens war es so, dass die Beschuldigten bleiben durften – das Coronavirus in Berlin hat ja auch viele in ihren Zweitwohnsitz auf dem Land getrieben.

Freuen sie sich auf Ende der Quarantäne?

Ja unbedingt – meine Kundinnen fehlen mir! Wir haben eine sehr nette, enge Beziehung! Sie wieder zu sehen – darauf freue ich mich am meisten!

Besten Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Stefanie Schuster

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